Reders Neuestes – Berlinpremiere

Ewart Reder präsentiert am Freitag, 2. Mai 2025, um 19 Uhr sein neues Buch „komisch, dass wir nicht merken, dass wir komisch sind“ in der Galerie Fantom. Dazu laden wir Sie /euch sehr herzlich ein. Der Eintritt ist frei.

 

Ewart Reder
Foto: Kornelia Boje

Der in Berlin geborene, in Frankfurt am Main lebende Autor Ewart Reder schreibt seit Jahren Glossen für die Frankfurter Rundschau, neues deutschland und andere Zeitungen. Sie sind scharf beobachtet, meisterhaft erzählt und vor allem komisch. Vieles dreht sich um einen Alltag, den viele kennen, anderes um Zeitthemen und Politiker, denen keiner entkommt. Auffällig an Reders Comedy ist, dass sie sich mit den Starken anlegt und die Verletzlichen triumphieren lässt. Hinzukommen Satiren und humoristische Erzählungen, prall vor Einfällen und überraschenden Wendungen. In Buchform wie auf der Bühne sind die Texte ein Genuss, beiläufig ein Panoptikum der Gegenwart und mitunter weise.

Nicht die Routine so mancher Comedyspezialisten herrscht hier, nicht Häme gegen Schwächere, mit der in social media Humor zunehmend verwechselt wird, sondern gute Laune mit den Mitteln seltener Schreibkunst. Reders bisherige acht Bücher machten ihn zu einem literarischen Geheimtipp. Sein neuntes dürfte sich breiter herumsprechen.

„Von kaum einem ließe ich mich lieber zutexten als von Ewart Reder.
Dieses Buch ist sehr komisch! Wenn das nicht komisch ist, was dann?“ Heiko Werning (Titanic).

„Ewart Reder schreibt spritzig, er schwafelt nicht. Seine Schilderungen atmen, sie verfügen über eigenes Leben, pulsieren von Zeile zu Zeile, was für Kurzweil sorgt. Solche Bücher brauchen wir in diesen Tagen!“ Nürnberger Nachrichten.

Wir freuen uns sehr auf Ihre / Eure Teilnahme.

Mit den besten Grüßen
der Fantom-Vorstand

Fantom – Netzwerk für Kunst und Geschichte(n)
Hektorstr. 9-10
10711 Berlin
https://fantomonline.wordpress.com/

Premigration!

Wieder ein Hotel – und wieder in Potsdam! Weil CORRECTIV keine Zeit hat, ist die Wahrheitsdrohne hingeflogen und zeichnet alles auf, durchs offene Fenster, im Auftrag von Fox-News, wie sie frech behauptet. Sogar ein Interview wird ihr gegeben, vom Anführer einer Geheimorganisation, die die „Premigration“ von Millionen Deutschen nach Amerika vorbereitet. „Na ja, der Redakteur hätte mal kommen können“, mault der Mann, „aber meinetwegen. Was wollen Sie wissen?“ Die Drohne wird zum ersten Mal gesiezt und verhaspelt sich prompt bei der ersten Frage:

Herr Schmerz, wawawas bebedeutet „Premigration“?

Das Wort habe ich erfunden. Es verbindet die Worte premium und gratia. Ich sage, dass nur die Besten mitkommen, und zwar von Meinen Gnaden. Die Vorsilbe pre deutet überdies an, dass wir dem Projekt der Konkurrenz zuvorkommen: der Remigration. Sehen Sie, Millionen Menschen vertreiben ist anstrengend. Ich mache das nicht. Stattdessen wandern wir selber aus und lassen die Wähler der Konkurrenz mit den Ausländern allein.

Aber Sie sind doch der nächste Kanzler.

Falsch. Ich tue zwar so, als würde ich der nächste Kanzler. In Wahrheit bedeutet aber ein Kreuz für meine Partei auf dem Wahlzettel das Ticket für die Überfahrt. Ich habe mit der Bundeswahlleiterin gesprochen, die Zettel werden gesammelt und mir ausgehändigt. Wer die rechte untere Ecke geknickt und in der Wahlkabine ein Selfie gemacht hat, kommt mit.

Und warum wollen Sie alle weg?

Der große Austausch ist nicht mehr aufzuhalten. Die Konkurrenz streut dem Wähler Sand in die Augen, aber wir wissen: Die Deutschen sollen die Sklaven der Ausländer werden, und das machen wir nicht mit. Die werden schön gucken, die Ausländer.

Sie gucken aber auch ganz schön. Ihr Blick kann einem ja Angst machen.

Richtig. Man nennt mich den BlackRock-Vampir und da ist was dran. Ich entstamme einem alten sauerländischen Vampirgeschlecht. Mein Blick hat die Kraft, alles Deutsche anzusaugen. Ist es angesaugt, nehme ich es mit nach Amerika und weg ist das komplette Restdeutsche aus dem so höchstens noch genannten „Deutschland“.

Warum denn nach Amerika?

Wir folgen da einer Prophetie, die vor hundertfünfzig Jahren ausgesprochen wurde. Damals war es wie heute, der ehrliche Deutsche hatte in seiner Heimat keine Chance. Ihm wurde gesagt: Dein Dorf wird abgeschafft und du musst in einer Stadt leben. Die Bestürzung war groß, keiner wusste, was eine Stadt ist. Man wusste, dass da Zeitungen und Bücher gedruckt wurden, die keiner lesen konnte. Man wollte weit weg sein, wenn es passierte. In der Stunde der Not stand in einem pfälzischen Dorf ein Prophet auf und kündete: „Im Westen, hinter dem großen Wasser, liegt ein Land, in dem es keine Druckerzeugnisse und Städte, sondern nur niedliche kleine Dörfer gibt. In das Land müsst ihr ziehen und hundertfünfzig Jahre warten. Dann wird ein Präsident aufstehen – und nach gestohlenen vier Jahren gleich noch mal aufstehen – , der sich eurer annimmt wie ein Bruder. Euer Bruder wird er sein, weil er von einem von euch, die ihr heute in die Ferne zieht, abstammen wird.“ So sprach der Prophet, den man bald den pfälzischen Marcus Garvey nannte („Exodus! Movement of de Pälzer“). Wobei er mit bürgerlichem Namen Dumbold Trampel hieß.

Ach so, Sie meinen den Trump.

Richtig. Das ist der Enkel. In unseren Tagen erfüllt sich die Prophetie. Ich habe mit dem Präsidenten gesprochen, deutsche Einwanderer sind willkommen. Wenn sie die Schnauze halten und amerikanische Autos und Grenzzäune bauen, vergisst er die Sache mit dem Weltkrieg und den Whiskeyzöllen.

War Trumps Großvater nicht Friseur? Von einem Propheten habe ich noch nie gelesen?

Friseur, Prophet – wo ist der Unterschied? Schauen Sie sich die gelben Haare an. Noch Fragen?

Ja, die hier: Der Großvater wurde vom Deutschen Reich ausgebürgert, als Fahnenflüchtling. Sie sind Fahnenjunker, Herr Schmerz. Ist das dasselbe?

Im Gegenteil. Ich wäre fast Reserveoffizier geworden, hab mir dann aber das Knie wehgetan an der Panzerluke. Die Waffen sind zu klein hier. Wie die Boni. (Lacht)

Noch eine Frage: Werden Ihre Wähler Ihnen auch folgen – in ein unbekanntes Land, so weit weg?

Sie sprechen da ein Problem an, das uns Kopfzerbrechen bereitet hat. Der Prophet drückte sich in der Sprache seiner Zeit aus. Aber seine Jünger glauben ihm aufs Wort. Gesagt hat er: „Wenn ihr den Rauch des schwimmenden Hauses aus dem Tal des großen Flusses aufsteigen seht, dann wallet hurtig hernieder von den Weinbergen ans Ufer und rein in das Schwimmehaus!“ Sie sehen das Problem vor sich. Aber es ist gelöst! Wir lassen tatschlich Raddampfer den Rhein runterfahren nach Rotterdam. Ratter ratter! Die werden mit deutscher Steinkohle betrieben, die wir über die Jahre gesammelt haben. Wo war die versteckt? fragen Sie sich. Antwort: Im Kyffhäuser. Alle deutschen Träume auf einmal werden wahr in meiner Gestalt.

Und ihr Flugzeug?

Ist schon drüben. Mit meinem Kaminpfleger, den hab ich letzte Woche rübergeflogen.

Kaminpfleger? Was ist das denn?

Das ist ein Afrodeutscher, der macht Ihnen ein richtiges Lagerfeuer in Ihrem Wohnzimmer. So was hat der Präsident noch nicht gesehen. Bei mir zieht das immer nicht richtig, darum beschäftige ich einen Migranten in meinem Haushalt.

Und wie wird das mit Trump und Ihnen auf dem Golfplatz? Haben Sie geübt?

Ach wissen Sie, ich seh den Ball nicht mehr richtig. Meine Füße sind so weit weg. Wegen meiner Steifheit eigne ich mich immerhin zu dem, was ich in der Schule war: zum Schläger. In den richtigen Händen hab ich richtig Spaß. Olaf Scholz eignet sich nur als Ball.

Sie und Trump – sehen wir da einer echten Männerfreundschaft entgegen?

Definitiv. Im Puff werde ich eher auf die Anziehsachen aufpassen. Aber die Kamingespräche über Derivate und Krypto werden bestimmt schön.

Am Ende des Tages haben Sie dann aber nichts regiert, nirgendwo. Tut das nicht weh?

Nein. Die Reserve ist mein Ding. Wenn Sie in ein großes Land einmarschieren, entscheidet die Reserve über den Sieg. Aus Zeitgründen. Da wird mein Freund an mir und meinen / seinen Landsleuten noch viel Freude haben. Die Last Americans (L.A.) – so heißt unsere Geheimorganisation – sind einsatzbereit bis zum letzten Schulbub.

Geheimorganisation? Dürfen Sie dann überhaupt mit mir reden?

Ich rede allgemein recht gern. Das ist so eine Art Hobby von mir. Als Politiker habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht.

Elemental Child & Martin Miers – Aliens

“I believe alien life is quite common in the universe, although intelligent life is less so. Some say it has yet to appear on planet.”
“Ich glaube, dass außerirdisches Leben im Universum recht häufig vorkommt, intelligentes Leben jedoch eher weniger. Manche sagen, dass es noch nicht auf dem Planeten erschienen ist,” – Stephen Hawking
Musik & Produktion by Elemental Child
Drums & Percussion by Martin Miers
© 2024
“Happy Halloween” !!!

Elemental Child & Martin Miers – Stardust

„We are travelers on a cosmic journey,stardust,swirling and dancing in the eddies and whirlpools of infinity. Life is eternal. We have stopped for a moment to encounter each other, to meet, to love, to share.This is a precious moment. It is a little parenthesis in eternity.“

„Wir sind Reisende auf einer kosmischen Reise, Sternenstaub, wirbelnd und tanzend in den Wirbeln und Strudeln der Unendlichkeit. Das Leben ist ewig. Wir haben für einen Moment innegehalten, um einander zu begegnen, uns zu treffen, zu lieben, zu teilen – ein kostbarer Augenblick. Er ist eine kleine Klammer in der Ewigkeit.“ – Paulo Coelho

Musik & Produktion by Elemental Child  © 2024

Martin Miers Drums & Percussion

Der Frustrator

Die Belgrader Straße, in der ich wohne, hat viele dominante Bewohner. Man fragt sich, wen all die Alphawesen überhaupt dominieren wollen. Es müssten Wesen ohne eigene Dominanz sein und die sind in der Straße selten. Autofahrer preschen dieselbe runter, als wären Fußgänger Straßendreck. Fußgänger kratzen sich in der Straßenmitte so konzentriert am Hodensack, dass sie dafür stehenbleiben. Autos haben keine Hoden, müssen nicht ernst genommen werden. Wollte die Straße einen Diktator wählen, gäbe es nur Kandidaten und keine Wähler.

Und doch ist einer, welcher dieses Unbedingt auffallen unendlich sanft … nein, falsch abgebogen, das war Rilke. Einer ist da, muss es heißen, welcher dieses Gerangel mit einer Mischung aus Hartnäckigkeit und unerschütterlichem Glauben an sich selbst seinerseits dominiert. Dieser eine verdient es, als Herrscher der Straße angesprochen zu werden, und ist überraschenderweise ein Hund.

Welche Definition von Herrschaft willst du? Immer das letzte Wort behalten. Sich in alles und jedes Verhalten anderer einmischen. Keinen Anspruch neben dem eigenen anerkennen. Der Hund unseres Nachbarn erfüllt sämtliche Kriterien für Herrschaft. Ausgeübt wird diese von ihm durch Bellen. Gerne bellt er anlasslos. Zum Beispiel morgens früh um halb fünf, wenn in dieser Straße kein Mensch, kein Hund und keine Maus unterwegs ist, bellt er. Wie tut er es? Ich würde sagen: nachdrücklich. Jedes einzelne Wau ist ihm wichtig, weshalb er zwischen den Einzelwauen kurze Kunstpausen macht. Wie Eltern, die der Nachkommenschaft eine Mitteilung einhämmern wollen: Jeder Hammerschlag muss sitzen, jedes Wort, jedes Wau so präzise, dass man denkt: Dies Wau war  wirklich unvergleichlich eindrucksvoll. Was nie stimmt, weil das nächste immer noch bedeutender ausfällt.

Denkt zumindest der Hund und kriegt nicht genug von seiner Bedeutung. Bis ihm plötzlich ein Wau verrutscht. Kriegen Hunde Stimmbruch? So klingt jedenfalls das meinetwegen achtunddreißigste Wau und der Hund merkt: Mist, der eine Patzer kratzt an der Würde meiner Rede mehr als die siebendreißig Treffer vorher zu ihr beigetragen haben. Was mach ich bloß? Die Antwort lautet: Weiter. Nur die Länge des Vortrags bietet die Aussicht, den Patzer beim Publikum in Vergessenheit zu bringen, in Kombination damit, dass fortan alles klappt. Was es nie tut – da capo al infinito. Der Spaß kann dauern.

Wer übrigens fragt, woher ich wissen will, was der Hund denkt: Für sowas hat man seine Wahrheitsdrohne.

Der Hund wiederum hat für sein Bellen seine Gründe. Achtzig Prozent der Performance sind nicht anlasslos – wenn auch ansatzlos. Ein Fehlverhalten, das sich in Gegenwart des Hundes vorzukommen erlaubt, braucht eine Antwort. Der Hund bellt noch ein Achtel lustvoller, als wenn er einfach so bellen muss, weil man ihm den Anlass verweigert. Beispiel: Ein fremder Hund, der die Straße daherläuft und unter dem Balkon des Nachbarhundes die Frechheit des Bellens hat. Das macht der nicht noch mal! Beziehungsweise das macht der noch ganz viele Male hintereinander, weil er jedes Mal, dass der Nachbarhund sein „Schluss jetzt!“ bellt, sein „Nee, noch nicht!“ dahintersetzen muss. Und trotzdem ist irgendwann Schluss. Denn der Fremde muss weiter und der Nachbarhund nicht, der wohnt hier. Der kann länger. Der hat immer das letzte Wau. Und das wars doch, was er von Anfang an sagen wollte Herrgott. Hätts der Fremdköter mal nach dem ersten Wauwechsel eingesehen. Oder die Katze steht nachts vor unserem Haus und will rein, warum auch immer. Sie macht ein weinerliches Geschrei, das hat sie von den Babys und Kleinkindern in der Straße gelernt. Es wirkt. Ich will sie sofort reinlassen, bin aber zu müde aufzustehen und warte erst mal, was der Hund sagt. Er bellt. Mitten in der Nacht hat keine Katze Lärm zu machen. Das lernt sie einmal. Zweimal. Dreimal. Die Katze gibt auf. Ehrlich, so dringend kanns doch dann nicht gewesen sein. Bleibt sie eben draußen. Brauchen wir nicht alle diese Momente, wo unseren Ansprüchen mal Grenzen gesetzt werden? Ich mag in diesem Moment den Nachbarhund. Genüsslich drehe ich mich im Bett um und vergesse die Schreie der eingesperrten Anti-Lithium-Protestler, ääh der Katze, als hätte es sie nie gegeben. Das Leben kann so einfach sein.

Als mich gegen Morgen ein Hustenreiz packt, drücke ich meinen Kopf ins Kissen. So ein Husten, frei rausgelassen, kann als Geräusch verwechselt werden. Ich will keinen Ärger. Ich muss Dominanz nicht herausfordern. Ich bin der Nachbar. Ich akzeptiere meine Grenzen.

Der Name des hiesigen Staatspräsidenten ist übrigens dem Geräusch, das der Nachbarhund macht, nicht unähnlich. Er kommt kraftvoll aus den Tiefen der Manneskehle. Und bricht dann ab wie die Stimme eines Jungen im Stimmbruch. Oder wie ein Klaps, den die Ehefrau dem Mann auf das dauerredende Mundwerk gibt. Zwischen den Fingern witscht noch etwas Luft durch. Dann ist Ruhe im Hause Vučić.

Im Eck ich steh, ich tu ihm weh – wer bin ich?

Gleich wird es hier so persönlich, dass ich keine Zeugen gebrauchen kann. Ich muss mit dem Gegenstand meiner Auseinandersetzung allein sein, weshalb ich ihn direkt ansprechen werde. Achtung, ich spreche: Wie – frage ich dich – soll es zwischen uns weitergehen? Was für Qualen gedenkst du mir weiter zu bereiten, die ich nicht entweder schon kennen oder aber mit endgültiger Trennung von dir beantworten würde?

Ach guck mal, die Wahrheitsdrohne schwirrt ab. Ernsthafte Beziehungsarbeit ist nicht so ihr Ding, scheints.

Wo war ich stehengeblieben? Richtig: bei meinen Qualen. Bei meinen Schmerzen. Stehend vor dir als der Ursache denke ich Sachen wie: Bin das wirklich noch ich? Ich kann nämlich zwischen dir und mir nicht mehr unterscheiden, so nah sind wir uns gekommen. Du bist ein Teil von mir geworden. Du wütest in meinem Innersten. Der Schmerz, den du mir bereitest, füllt mich aus wie das Bier das Glas. Man sagt „Glas“ und meint in Wirklichkeit Bier, das sich in einem Glas befindet. Ich betrachte mich im Spiegel und sehe in Wirklichkeit dich. Was du mir angetan hast, zeichnet sich ab in meinem Gesicht, vollständig. Oder nicht mal: Ich bräuchte zwei Gesichter – wie meine wohlhabenderen Freunde zwei Bildschirme auf ihrem Schreibtisch stehen haben – um alles anzeigen zu können, was du mir angetan hast. Die ganze Breite der Palette, mit der du den Schmerz in meine zwei Gesichter gemalt hättest.

Zwei Wochen vor Weihnachten fing es an. Ich dachte sofort über Trennung nach, wollte aber das Fest noch ein Mal mit dir erleben. Ich brauchte dich für dieses Fest, für seine dreitägigen Freuden. Und irgendwie lief es sogar. Ich dachte schon, du wolltest dich vertragen mit mir.

Aber nein. Zwei Tage nach Weihnachten ging es wieder los. Ich schluckte Tabletten und Alkohol durcheinander, um zu verarbeiten, was du mir neuerlich antatest. Und ich schluckte die Einsicht, ärztliche Hilfe zu benötigen. Im weiten Rund unserer gemeinsamen Heimat telefonierte ich nach Beistand. Alle waren im Urlaub und verwiesen auf Vertretungen in Bundesländern, die ich noch nie bereist habe. No way. Wir würden zusammen ins neue Jahr gehen, soviel war klar. Unberaten und ohne ärztliche Aufsicht würden wir über die Zukunft unserer Beziehung entscheiden, glaubte ich.

Dann überschlugen sich die Verwicklungen. Den Jahresanfang hindurch telefonierte ich ganztägig mit Fachärzten. Ihr Urlaub war verlängert worden. Als der Telefonseelsorge die Ratschläge ausgingen, suchte ich einen Notdienst auf. Der jugendliche Arzt riet zu einer analytisch bohrenden Paartherapie. Ich flüchtete mich in einen zwei Wochen späteren Termin bei einem Niedergelassenen. Der war noch jünger und empfahl die Trennung. Liegend auf seiner Couch traf mich der Schlag. Ich argumentierte mit der besonderen, unverzichtbaren Stellung, die du in meinem Innern einnehmest. Verlöre ich dich, werde dort alles zusammenbrechen, weissagte ich und entkam dem Weißkittel mit letzter Entschlusskraft. „Ich kann nicht ohne ihn leben!“, rief ich durch den Spalt der zufallenden Praxistür.

Jetzt ist es raus. Es geht nicht um meine Frau. Du, Schmerzgebärender, stehst mir näher als sie, begleitest mich auch schon Jahrzehnte länger. Schwul bin ich allerdings auch nicht geworden. Es ist alles komplizierter. Du seiest in Wahrheit schon abgestorben, hatte der Niedergelassene gesagt, werdest mir so jedoch noch gründlicher wehtun als zu Lebzeiten.

Ich weiß nicht, ob es stimmt. Ich spüre nur noch einen unbestimmten, fast nostalgischen Schmerz, wenn ich an dich denke. Auch frage ich mich, ob ein so junger Arzt die Probleme einer so langen Beziehung überhaupt versteht. Er geht doch von frisch Verliebten aus, die schmerzfrei zusammenarbeiten – weil es das ist, was er kennt. Solche Ansprüche stelle ich aber nicht. Ich stehe zu dir mit all deinen Mängeln und Beschädigungen. Selbst dein Tod nimmt dir nichts von deiner Bedeutung für mich, wenn du nur bitte, bitte weiter mein Essen kleinmachst. Ich putze und pflege dich liebevoller als in deinen strahlenden Jugendjahren – und du zahlst mit Verweigerung und heimsuchendem Schmerz zurück?? Die Wut, die ich so langsam auf dich habe, wird mir helfen müssen mich von dir zu trennen.

Wenn ich Francoise Rosay ein dentistisches Bonmot in ihrem hübschen Mund umdrehen darf: Zähne sind wie Frauen. Es dauert lange, bis man sie bekommt. Und wenn man sie hat, tun sie einem weh. Und wenn sie nicht mehr da sind, hinterlassen sie eine Lücke. Eigener Zusatz: Die größte Lücke hinterlassen die, die immer (still) in der Ecke standen.

Elemental Child – Fragments

“A piece of art comes to life, when we can feel, it is breathing, when it talks to us and starts raising questions. It may dispel biased perceptions; make us recognize ignored fragments and remember forsaken episodes of our life story.“

„Ein Kunstwerk erwacht zum Leben, wenn wir spüren, dass es atmet, wenn es zu uns spricht und Fragen aufwirft. Es kann voreingenommene Wahrnehmungen zerstreuen, uns ignorierte Fragmente erkennen lassen und uns an vergessene Episoden unserer Lebensgeschichte erinnern.“ – Erik Pevernagie

Musik & Produktion by Elemental Child © 2024

Elemental Child – Alien Outpost

21 Aufrufe 26.01.2024

„The surest sign that intelligent life exists elsewhere in the universe is that it has never tried to contact us.“ – Bill Watterson

„Das sicherste Zeichen dafür, dass es irgendwo im Universum intelligentes Leben gibt, ist, dass es nie versucht hat, mit uns Kontakt aufzunehmen.“ – Bill Watterson

Musik & Produktion by Elemental Child © 2024

Elemental Child – Christmas Time

“I will honour Christmas in my heart, and try to keep it all the year. I will live in the Past, the Present, and the Future. The Spirits of all Three shall strive within me.“ ― Charles Dickens

Merry Christmas to you all !!!

„Ich werde Weihnachten in meinem Herzen ehren und versuchen, es das ganze Jahr über zu halten. Ich werde in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft leben. Die Geister aller drei werden in mir streiten.“ – Charles Dickens

Frohe Weihnachten für euch alle !!!

Musik & Produktion by Elemental Child © 2023