Schon wieder mag ich eine Sache, die alle hassen. Warum bin ich immer anders und die anderen sind immer gleich? Das ist doch ungerecht. Aber ich sag erst mal, was es ist, das ich mag: Ich mag Hitze. Gleich der Aufschrei, sobald ich mich zu meiner meteorologischen Orientierung bekenne: Was, du magst es, dass wir aussterben? Hitze ist Völkermord! Vor allem ist Hitze eklig, da klebt doch alles! Die ganze Farbe läuft ins Gesicht und die Schokolade ist nicht mehr stückig, sondern braune, klebrige Schmiere an den Fingern, igitt!
Ja gut. Manche Sachen sind halt eher was für den Winter. Das heißt doch nicht, dass eine ganze Jahreszeit Scheiße ist, weil man da diese Sachen besser nicht macht. Hetzt irgendjemand gegen den Winter, weil man da beim Draußen schwimmen friert? Nein. Er und sie schwimmen einfach drinne. Flexibilität heißt das Baby. Offen sein für Veränderung.
Ich freue mich jedes Jahr zuerst darüber, dass es warm wird. Da sind ja auch die meisten noch dabei. Aber warum soll ich mich nicht weiterfreuen, wenn es heiß wird? Das ist derselbe Vorgang, nur intensiver! Meinetwegen freue ich mich auch, wenn das Thermometer im September mal unter fünfundzwanzig fällt. So für ein, zwei Tage. Viel länger hält meine Flexibilität allerdings nicht. Ganz schlimm finde ich, dass es irgendwann kalt wird. Und von da an finde ich das Schlimmste, dass es praktisch immer nur noch kälter und kälter wird. Daran möchte ich am liebsten gar nicht denken.
Muss ich auch nicht. Es sind sechsunddreißig Grad heute. Wolkenlos hat der Tag begonnen. Mittlerweile stehen die süßesten Wölkchen der Himmelskonditorei im Schaufenster. Vögel singen, als wären sie eigentlich Sänger, die na-du-weißt-schon-was machen und sich dabei so freuen, dass sie singen. Jede einzelne Blüte, jedes einzelne Blatt und vor allem alle Blüten und Blätter zusammen DUFTEN! Da helfen nur noch Kursiv und Versalien, sorry, Wörter kommen da nicht hinterher. Was ist denn hier los?? schreit die Nase ununterbrochen, kann nicht fassen, dass hinter der Fototapete Welt die geilste Parfümerie des Universums Monate lang gewartet hat darauf, zu explodieren. Die Menschen haben kaum was an und bei der einen Hälfte von ihnen fällt mir keine der Sachen mehr ein, die sie vor Wochen alle noch angehabt haben müssen. Ich möchte an diese Sachen am liebsten auch gar nicht denken.
Muss ich auch nicht. Denken ist ohnehin nicht die Hauptsache, die ich noch betreibe. Es gibt so vieles. Denken verdankt sich einem Mangel an Gegebenheiten, zwischen denen es assistierend vermittelt. Quasi um sie aufzufüllen. Wie französisches Nougat zwischen Pistazien. Sowas ist bei dem Angebot des heutigen Tages absolut überflüssig. Alles wirkt durch sich selber, erklärt sich selber oder gibt dir einen Kuss, nach dem du dich über jede Vorstellung von einer Erklärung nur noch kaputtlachen kannst.
Da kommt die Wahrheitsdrohne angebrummt, wirbelt hektisch mit den Rotorblättern und flüstert in mein Ohr: Sei still, aber sofort! Niemand empfindet wie du. Alle hetzen sie gegen die Hitze.
Ach so? Ja was hat man denn so, als kochende Volksseele, gegen die Hitze?
Also: Erst mal das, was oben in dieser Kolumne steht. Dann, dass es nicht deutsch sei. Deutschland habe ein deutsches Wetter gehabt und das neue Wetter sei aus dem Ausland nach Deutschland eingewandert. Ferner, dass die Ausländer überhaupt nie mehr weggehen werden, wenn sie auch noch ihr eigenes Wetter bekommen mitten in Deutschland. Dann, dass die meisten Deutschen bei dem ausländischen Wetter wegsterben werden und dies natürlich auch so geplant sei. Und schließlich, dass das der eigentliche Große Austausch oder Allergrößte Austausch von allen, ganz wie man wolle, sei: der Austausch des Wetters. Damit brauche man das Volk nämlich nicht weiter auszutauschen, da es erstens wegsterbe und zweitens innerlich nicht mehr deutsch sei, sondern ausländisch, sobald es sich gegen das fremde Wetter nicht mehr wehre, sondern dasselbe auch noch gut finde und darum: Halt die Schnauze von wegen „Ich mag die Hitze“ und den Scheiß. Petz die Augen zusammen, guck grimmig in die Sonne, schüttele drohend deine Faust und rufe aus: „Na warte, ihr da oben, das Volk sind immer noch wir. Das Wetter bestimmen immer noch wir. Für unser deutsches Wetter sind wir sogar bereit, unser Wahlergebnis an das Thermometer zu binden, derowegen rufet alle im Chor:
Durch Hagel, Kälte, Wind und Regen:
Der blitzeblauen Null entgegen!“